Schönheit in der Leichtigkeit
In der Stille der Kunstgalerie betrachtet wird die Serie "Birkenwäldchen" der Künstlerin Elisabeth Ochsenfeld zur besänftigenden Wohltat für müde Augen. Dank der konsistent chromatische Vista räumlicher Weite und der großzügigen visuellen Tiefe, welche den Blick des Betrachters zu den horizontalen, weiten Flächen zieht, gelingt es der Birkenwäldchen-Serie, dem Auge geruhsame Beschaulichkeit zu vermitteln. Hierin liegt ein echter Moment der Leichtigkeit - eine Oase des Otium inmitten einer Welt, die sich fest in der Hand des Negotium befindet, dem Wahn der Geschäftigkeit. Die zentrale Botschaft der Bildserie liegt in der Herauslösung der Begrenzungen eines Raumes, dessen Inhalt den Blick im Allgemeinen nach innen zieht. Durch die Verlagerung dieser Grenzen erblickt der Betrachter Schönheit in ihrer absoluten Form; und durch genau diese Form reiner Schönheit erlangt der Betrachter ein außerordentliches Maß an Leichtigkeit. So schenkt uns Elisabeth Ochsenfeld auf der ersten Ebene der Wahrnehmung erholsame Besonnenheit in der von ihr geschaffenen Schönheit.
Doch gibt es hier noch eine weitere Wahrnehmungsebene, die sich aus der Bewunderung für ihre Bilder ergibt, nachdem wir dank der Schönheit in der Leichtigkeit verweilen durften. Diese zweite Ebene erlaubt uns die Entdeckung der Kontemplation.
Aus der beschaulichen Perspektive der Schönheit heraus führt uns die Bewunderung der "Birkenwäldchen-Serie" zu einer Meditation über die Kunst, die in Ablehnung der Meditation über den Diskurs geführt wird. Sinnen Künstler über die Malerei nach, erstellen Sie im Allgemeinen Meta-Bilder: Mit anderen Worten, sie verwerfen das Bild an und für sich. Das Resultat ist häufig ganz erstaunlich. Und es ist selten schön. Gleichwohl ist die Bewahrung der Schönheit innerhalb des visuellen Diskurses für Elisabeth Ochsenfeld unabdingbare Voraussetzung (bei der vorliegenden Serie beziehen wir uns hierbei auf die bestimmte Art der Schönheit, die uns nach vorstehenden Ausführungen in einen Zustand der Geruhsamkeit gleich der Otio versetzt). Daher geht eine solche Meditation ohne Veränderung der Formen, ohne Auslöschung des skizzierten Konzepts und ohne Entstellung des Objekts einher. Die von der Künstlerin gewählte Methodik besteht in der Vervielfältigung durch Setzen eines Rahmens, mittels einer Friessequenz, einer cinemastischen Bildfolge, stroboskopischer Zerlegung, schmückender Arabesque, eines Nebeneinanders von Medaillons und nicht zuletzt durch Einrahmung des Bildes zwischen den lateralen Flächen einheitlicher Chromatik, die es zum Einen durch Kontraste, zum Anderen durch Bestätigung hervortreten lassen (wie zum Beispiel die beiden Triptychen purpurner Chromatik bzw. blutroter Nuancen der Birkenstämmchen in der zentralen Fläche, mit komplementären lateralen Pastelltönen).
Die Rose ist ohne Warum. Sie blühet, weil sie blühet.
Die Kontemplation legt zwei Gedankengänge nahe: Erstens, dass die Schönheit aus der Objektfragmentierung hervorgeht, und zweitens die geheimnisvolle Schaffung durch eindringliches Enthüllen und Sichtbarmachung von allem Vorzeigbaren für die Augen des Betrachters. Im Regelfall werden Vervielfältigung bzw. Fragmentierung des Objekts mit Blick auf eine Analyse des visuellen Objekts eingesetzt. Das Anliegen von Elisabeth Ochsenfeld ist jedoch nicht die Objektanalyse, sondern liegt vielmehr in der Erfassung der verschiedenen kurzen Einblicke in dessen Existenz, was wie eine Offenbarung, ja eine Erleuchtung erfahren wird, wenn die plastische Darstellung der Schönheit mit der Ausstrahlung von Lebenskraft verknüpft ist. Innerhalb des Gefüges der vervielfältigten Birken können wir keinerlei Spur einer abstrakten Kühle erkennen, wie sie mit einem abstrakten analytischen Prozess verbunden ist. Ganz im Gegenteil - es ist uns möglich, den tatsächlichen Reichtum der Epiphanie in ihrer Überfülle wieder zu entdecken. Der erste Leitgedanke, über den sich nachsinnen lässt und wie er in der Frage nach dem "Zweck der Objektfragmentierung und -vervielfältigung" zum Ausdruck kommt, hat als Lösung die Epiphanie selbst in Verbindung mit dem Theorem: Wenn die Schönheit in der Otio ruht, dann enthüllt sich das einfache und bescheidene Leben in seiner glorreichen Erscheinung, dem Ruf der Offenbarung.
Das zweite Leitthema findet seinen Ausdruck in der Frage:" Woher kommt das Empfinden des Mysteriums, wenn alles offenliegt?" Im Allgemeinen führt die Vervielfältigung eines Objekts zur Erschöpfung dessen, was wir seine sichtbare "verborgene Seite nennen". Es ist sicherlich bekannt, dass Vervielfältigung die Wirkung abschwächt; Zurschaustellung nützt sich ab; Gewohnheit wertet ab. Im Fall der Birken haben wir es jedoch nicht mit dem Phänomen des "Kunstwerks in der Epoche seiner mechanischen Reproduktion zu tun". Woher kommt die Erlösung? Meines Erachtens entspringt sie der Schönheit. Die Schönheit, versucht man sie zu begreifen, erweist sich als ein nicht fassbares Mysterium. Beginnt man sie zu erspüren, wird sie zu einem Geheimnis, ähnlich den Mysterien der zentralen Sakramente oder der Liturgie. Bleibt als einzige Antwort auf die zweite in der Meditation aufgeworfenen Frage, dass Elisabeth Ochsenfeld mit der Birkenwäldchen-Serie nichts Geringeres als Schönheit in ihrer reinen Form geschaffen hat. Und Schönheit, genau wie bei Angelus Silesius' Rose, kann das "warum" nicht ergründen.
Die Rose ist ohne Warum. Sie blühet, weil sie blühet.
Sie achtet nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.
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